Mordreds Tales
© 2010 – 2024 Marcel Wolters







 

Der Hexenjäger



„Bleib stehen, Hexe! Stell Dich zum Kampfe! Oder besser noch ergibst Du Dich ohne ihn, denn unterliegen wirst Du ohnehin!”

Also sprach Harald von Hellsehn, Hochbauingenieur und selbsternannter Hexenjäger. Harald von Hellsehn war, glaubte man ihm, nicht nur irgendein Hexenjäger, er behauptete von sich sogar, der beste lebende Hexenjäger auf dieser Welt zu sein und niemand widersprach ihm hierin. Einzig Frau Martha Annamaria Krummholz, geborene Meistersang, geschiedene Müller, Witwe des Gerhardt Krummholz, welcher da Erster Postmeister in Dübelringen war (Frau und Herr Krummholz machten sich immer wieder den Spaß, Herrn Krummholz, den einzigen Postbeamten Dübelringens, als den Ersten Postmeister des Ortes vorzustellen) bemerkte in einer lauen Sommernacht am Stammtisch des Hag-Art, einer Art In-Kneipe für Hexen, in Wirklichkeit aber nur eine simple Cocktail-Bar, deren Besitzerin kunstverliebt war und sich für eine Hexe hielt, dass Harald von Hellsehn in der Tat der Welt bester Hexenjäger war, weil nämlich, so wie ihr verblichener Gatte, dessen Seele, wie Frau Krummholz, welche zwar eine Hexe trotzdem aber eine gute Christin war, ihm inständig und aufrichtig wünschte, Gott im Himmel gnädig sein möge, der einzige und somit beste Postbote in Dübelringen am Wald von Langenholz war, es außer Harald von Hellsehn keinen anderen Hexenjäger auf dieser Welt gab. Im Umkehrschluss, fügte Frau Krummholz nur einen Atemzug später hinzu, war der arme Tropf gleichzeitig der erfolgloseste Hexenjäger der Welt.

Natürlich erntete Harald von Hellsehn in seinem näheren Umfeld eher Spott und Häme für seine Passion zur Hexenjagd, denn niemand glaubt mehr an Hexen (sehr zu Frau Krummholz‘ persönlicher Zufriedenheit) und jemand, der ernsthaft noch Hexen jagt, muss nicht mehr alle Borsten am Besen haben (ein Ausdruck, Frau Krummholz‘ derzeitige Schülerin Agnetha Malzkrug prägte). Frau Krummholz stimmte dem zu, allerdings nicht, weil sie Menschen für einigermaßen bekloppt hielt, die an Hexen glaubten, schließlich wusste sie es besser, sondern weil sie keinen Grund sah, Jagd auf Hexen zu machen, denn sie taten niemandem etwas Böses, der ihnen nichts Böses tat. Es gab und gibt keinen Teufel, mit dem die Hexen per Definition im Bunde waren und sind. Den Teufel gab es vielleicht, aber mit den Hexen hatte er nichts zu tun.

Herr von Hellsehn also „bat” die Hexe, sich zum Kampf zu stellen oder sich alternativ zum Kampf Pythonissam homo versus – Mann gegen Hexe – gleich zu ergeben. Eine junge und leichtgläubige Hexe hätte vielleicht die zweite Möglichkeit gewählt, eingeschüchtert ob des selbstbewussten Auftretens ihres Gegners. Nicht so Frau Krummholz. Eine junge und hitzköpfige Hexe wäre vielleicht dem Jäger entgegengetreten, hätte die Herausforderung angenommen. Frau Krummholz hingegen hielt dies nicht der Mühe wert. Sie drehte sich langsam und bedächtig um und fixierte Harald von Hellsehn.

„Das Geschlecht derer von Hellsehn brachte so manch wackeren Burschen hervor, Harald”, sagte die Hexe ruhig. „Aber jeder von ihnen war schlau genug, nichts anzufangen, das er nicht zu einem rühmlichen Ende führen konnte.”

Herr von Hellsehn schaute verdutzt drein. Woher kannte die Hexe seinen Namen? Er hatte sich gar vorgestellt! Wie konnte sie ihn beim Namen rufen, wenn nicht … Das ging doch nicht mit rechten Dingen … Das war Teufelswerk!

„Kein Teufelswerk, mein Junge, kein Teufelswerk”, versuchte Frau Krummholz Herrn von Hellsehn, dessen Gedanken sie wie ein offenes Buch zu lesen - oder vielmehr, weil er sie vor sich hin murmelte, zu hören - in der Lage war, zu beruhigen. „Ich war bei Deiner Geburt zugegen und half Deiner Mutter durch ihre Wehen. Eine liebe Frau. Wie geht es ihr?”

„Meine Mutter ist eine aufrechte …”

„Ah, dann ist ihr Rückenleiden also kuriert”, nahm die Hexe dem Mann den Wind aus den Segeln. „Dann haben ihr meine Kräuterumschläge geholfen. Sehr schön. Bitte grüß doch Deine Mutter lieb von mir, mein Junge! Sag ihr schöne Grüße von Frau Krummholz, sie weiß dann schon, wen Du meinst.”

Mit diesen Worten und einem Winken drehte die Hexe sich um und ging einfach weiter, bis sie schließlich um die nächste Ecke verschwand. Harald stand allein auf der Straße.

„Warte nur, Du … Du … Du Hexe!”, rief er Frau Krummholz hinterher. „Du magst mir entkommen sein, doch gibt es deinesgleichen noch mehr! Ihr könnt mir nicht alle entwischen!”

Frau Krummholz hörte Haralds Worte nicht mehr. Hätte sie sie gehört, hätte sie vielleicht „Können wir doch!” geantwortet. Vielleicht. Unter Umständen. Wenn es Dienstag und eine Vollmondnacht gewesen wäre. Aber es war Mittwoch und abnehmender Mond und deshalb überhörte sie Haralds Verwünschungen geflissentlich.

***


Die Frühlingssonne schien warm auf die Wiesen Irlands und im mittleren Westen sprossen die ersten Maishalme aus der Erde. Natascha Sergejewna Ukkulta stapfte durch die mit Restschnee bedeckten Straßen Moskaus und pfiff fröhlich ein Lied. Die Sonne war an diesem Frühlingstag ein vielbeschäftigtes Gestirn und lies nicht nur irisches Gras grünen, sie ließ auch den russischen Schnee glitzern, als bestünde er aus Billionen kleiner Sternchen und zauberte einen Hauch von Frühlingswärme in Frau Ukkultas Gesicht, als vier Glockenschläge gefolgt von einem fünften und tieferen Schlag das fröhliche Liedchen unterbrachen.

„Oh!”, murmelte die Hexe, griff in ihre Handtasche und zog eine Uhr hervor, von der jeder Mensch behauptet hätte, sie könne unmöglich in die Handtasche passen. „Schon ein Uhr!”

Jetzt wurde es höchste Zeit, wollte sie ihre Verabredung am Ufer der Moskwa nicht verpassen und diese Verabredung war wichtig, denn die Nachtwächter, die sie am Abend aufsuchen würden, sollten keinen einzigen Mangel feststellen können. Frau Ukkulta hielt viel auf ihren guten Ruf und ihre Krähenfüße waren kurz vor dem Verfallsdatum. Das wäre doch höchst peinlich. Doch zum Glück gab es ausgezeichnete Quellen für die Beschaffung ungewöhnlicher Waren. In Russland gab es alles. Man musste nur wissen, wer es besorgen kann. Und die besten Krähenfüße bekam man von Anton Woronow, auch wenn sie ein paar Rubel mehr kosteten. Anton Woronows Krähenfüße waren weit über die Grenzen des schönen Mütterchens Russland hinaus bekannt.

Glücklicherweise war es nicht weit bis zum Fluss. 130 Meter östlich der Brücke war der vereinbarte Treffpunkt und Frau Ukkulta brauchte nur 10 Minuten, um ihr Ziel zu erreichen. Verstohlen blickte sie sich um. Vielleicht war Anton auch schon da, obwohl es ja noch drei Minuten hin war bis zu ihrem konspirativen Rendezvous. Nicht viele Menschen interessierten sich dafür, wenn jemand am Flussufer Krähenfüße kaufte, doch gab es genügend Leute, die mit Argwohn betrachteten, was sie beobachteten und nicht verstanden. Und wer hatte schon Ahnung, dass Krähenfüße das Geheimnis von Schönheit und Jugend waren – nebst dem frisch gepressten Saft junger Brennnesseln (250 Gramm), 2 Eigelb und dem Mark einer halben Vanilleschote. Kein Schönheitschirurg der Welt kann einen Menschen auf so natürliche Weise aussehen lassen, als sei er gerade 29 Jahre alt. Des besseren Geschmacks halber kann man wahlweise noch drei pürierte Erdbeeren oder etwas Minze hinzugeben.

Kocht man drei Krähenfüße zusammen mit 52 Kamillenblüten und 37 Lindenblättern in Gemüsebrühe – es darf ruhig Instantbrühe sein – bis sich eine breiige Masse bildet, erhält man einen Balsam gegen Warzen, Hühneraugen und Haarausfall. Dass getrocknete und zermahlene Krähenfüße Männern zu mehr Kraft verhelfen, hielt Frau Ukkulta allerdings für eine Legende. Für eine Zaubertränke brauende Hexe sind Krähenfüße in jedem Fall so unverzichtbar wie Bleiwurzeln und Adlerfarn.

Die Zeit verging. Frau Ukkulta griff in ihre Tasche und warf einen Blick auf die Uhr. 13:13 Uhr, aber Anton war nicht zu sehen.

„Anton war nie unpünktlich”, murmelte die Hexe. „Ihm wird doch nicht widerfahren sein?”

Frau Ukkulta sah sich um. Links – kein Anton. Rechts – niemand. Hinter ihr – auch kein Herr Woronow. Dafür erblickte sie einen seltsam anmutenden jungen Mann in einem schwarzen Mantel. Zu seinen Füßen lag ein Seesack und seine linke Hand zeigte direkt auf Frau Okkulta.

„Bleib stehen, Hexe!”, rief der Mann. „Bleib stehen und kämpfe! Wisse, ich bin Harald von Hellsehn, der beste Hexenjäger der Welt.”

„Boschje moi! Haben Sie mich aber erschreckt!”

„Haha!”, lachte Harald von Hellsehn. „Dann hast Du schon von mir gehört. Von mir dem berühmte Harald von Hellsehn!”

Frau Ukkulta hob nachdenklich den Finger an die Nasenspitze. Das war also der berühmte … Wer? Harald von was oder wem? Hexenjäger? Spinner traf es wohl eher. Schließlich gab es seit 200 Jahre keine Hexenjäger mehr. Hexenjäger gehörten in das Reich der Vergangenheit und der Legenden. Es gab nur noch die Nachtwächter, die ein Auge auf das hexende Volk warfen, auf dass niemand Schindluder mit seinen Kräften trieb. Hielt sich eine Hexe nicht an die Regeln, wurde sie mit einem Bußgeld belangt. Aber ein Hexenjäger? Unsinn!

Frau Ukkulta ging auf den angeblichen Hexenjäger zu, um ihn näher zu betrachten.

„Wer genau sind Sie?”, fragte die Hexe.

„Harald von Hellsehn, Hochbauingenieur und Hexenjäger”, antwortete der seltsame Mann, bückte sich und holte ein silbernes Kruzifix aus seinem Seesack. „Im Namen der Erzengel”, fuhr er fort, „befehle ich Dir, Hexe, stehenzubleiben und Dich meinem Gericht zu unterwerfen! Doch wenn es Dir danach verlangt, bin ich auch zum Kampfe bereit.”

Frau Ukkulta blieb vor Harald von Hellsehn stehen und beäugte das Kruzifix. Vier Namen waren in das Silber graviert.

„Raphael”, las die Hexen den ersten Namen vor.

„Ha!”, rief ihr Gegenüber triumphierend. „Erschauere vor der Macht der Boten Gottes!”

Frau Ukkulta erschauerte keineswegs sondern las weiter: „Donatello, Michelangelo, Leonardo … Die Ninja Turtles? Ach, was habe ich die vier gerne gesehen damals im Fernsehen. Ich war noch ein Kind und Glasnost und Perestroika hielten gerade Einzug. Sie sind auch ein Fan der Turtles?”

Das Gesicht des Hexenjägers verwandelte sich in einen Ausdruck schieren Unglaubens. Wie konnte es diese Hexe wagen, sich über ihn und über die Erzengel lustig zu machen?

„Das war nur ein Scherz”, beruhigte ihn Frau Ukkulta. „Aber ich habe die Turtles wirklich gerne gesehen. Und ein Kruzifix hilft überhaupt nicht gegen Hexen. Die meisten Hexen gehen sogar sonntags in die Kirche.”

„Wie kannst Du es wagen, gotteslästerliches Weib?”, rief der aufgebrachte Mann. „Wie kannst Du es wagen, einen solchen Scherz zu treiben und Gott auch noch zu spotten, indem Du in die Kirche gehst?”

„Mache ich ja gar nicht. Ich bin Agnostikerin. Ich sagte nur, die meisten Hexen würden es tun. Und warum auch nicht? Wenn jemand das Wissen und die Macht hat, den Menschen zu helfen, kann es doch nicht falsch sein, wenn er auch an Gott glaubt. Oder doch?”

Die Augen des Hexenjägers weiteten sich vor Zorn. Theatralisch ließ er das Kreuz fallen, griff in den Mantel und zog eine silberbeschlagene Pistole hervor. Frau Ukkulta ließ ihre Handtasche fallen und bedeckte den Mund mit ihren Händen.

„Boschje moi!”, rief sie ehrfurchtsvoll. „Ist das ein echter Peacemaker? Kaliber .45, aus dem wilden Westen? Oder ist das nur eine teure aber schlechte Replik? Nein, er muss echt sein. Sehen Sie die kleine Kerbe hier? Sie ist typisch für die 1885er Modelle.”

„Was?”, fragte der Mann.

„Oh, die Feuerwaffen der einfachen Menschen haben mich schon immer fasziniert. Ich habe als Kind auch unheimlich gerne Indianerfilme gesehen. Können Sie aus der Hüfte schießen wie ein echter Cowboy?”

„Ich werde Dir meine Fertigkeiten mit dem Revolver gleich demonstrieren, elendes Satansweib!”, warf Herr von Hellsehn sich in die Brust. „Ich muss nur noch schnell …”

Der Hexenjäger bückte sich und kramte in seinem Seesack.

„Was suchen Sie?”, fragte die Hexe.

„Meine Patronen”, gab der Jäger zurück. „Aus Sicherheitsgründen sollte man nie mit einer geladenen Waffe herumlaufen. Sie könnte losgehen. Also transportiert man die Patronen am besten extra. Einen Moment noch bitte … Ah! Hier sind sie.”

Der Ingenieur und Hexenjäger hielt fünf Patronen mit schimmernden Kugeln in die Höhe. Dann legte er sie vor sich auf den Boden und begann, an der Waffe zu hantieren.

„Sie sollten die Munition nicht so auf den Boden legen”, wandte die Hexe ein. „Es könnte Dreck daran kleben bleiben und die Waffe verschmutzen.”

„Wie bitte?”

„Na sie wissen schon: Sie schleppen ein paar Sandkörner mit, die bleiben beim Schuss im Lauf kleben und der nächste Schuss wird ein Rohrkrepierer. Sind das Silberkugeln?”

„Ja”, erwiderte Herr von Hellsehn knapp und fummelte weiter an seinem Revolver.

„Ich bin aber kein Werwolf, wissen Sie? Sie brauchen Silberkugeln nur, um Werwölfe zu töten. Aber eigentlich ist auch das Unsinn. Die meisten Werwölfe sind tagsüber unbescholtene Bürger und nachts handzahme Haustiere. Kein Werwolf ist heute mehr eine wilde Bestie. Naja, vielleicht das Tier von Frau Krassnova. Aber bei ihr ist sowieso einiges ungewöhnlich.”

Der Hexenjäger brummte nur und versuchte weiter, seine Pistole zu laden.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen.”

Frau Ukkulta nahm den Revolver, drückte einen Hebel und klappte den Lauf und die Trommel nach unten. Harald von Hellsehn lief rot an.

„Oh, das muss Ihnen nicht peinlich sein”, sagte die Hexe. „Dieses Modelljahr hat so seine Tücken.”

„Danke”, murmelte Harald. Dann lud er die Pistole und richtete sie auf die Hexe. „Und nun mach Dich bereit …”

„Also eigentlich habe ich gar keine Zeit. Ich habe eine Verabredung, wissen Sie? Ich brauche Krähenfüße.”

„Krähenfüße?”

„Krähenfüße.”

„Haben Sie Geduld”, winkte Harald ab. „Mit dem Alter kommen die Krähenfüße von ganz alleine.”

Erstaunt und verwirrt trat Frau Ukkulta einen Schritt zurück. Glaubte dieser seltsame Mann tatsächlich, dass Krähen irgendwann ihre Füße freiwillig abgeben würden? Andererseits glaubte er ja auch, ein Hexenjäger zu sein.

„Sie sind noch jung”, sagte von Hellsehn. „Warten Sie, bis sie so alt sind, wie meine Großmutter. Sie ist die liebste Frau der Welt und war früher Model. Aber wenn Sie jetzt ihre Augen sehen würden …”

Frau Ukkulta verstand und lächelte.

„Sehen Sie, dafür brauche ich ja die Krähenfüße. Ich könnte Ihrer Babuschka den Fältchen praktisch wegzaubern.”

„Niemals!”, hub der Hexenjäger erneut an. „Niemals würde mein Großmütterchen die Hilfe einer Braut Satans annehmen! Und nun …”

Allmählich verlor Frau Ukkulta die Geduld. Sie hatte keine Zeit. Sie musste herausfinden, warum Anton sich verspätete. Vielleicht stand er nur ein paar Schritte entfernt und sorgte sich, weil ein verrückter Mann mit einer Pistole auf die Hexe zielte. Frau Ukkulta schüttelte den Kopf und schnippte mit dem Finger. Es machte „Plopp!” und etwas Hartes stieß gegen Haralds Schulter.

„Häh?”, fragte der Hexenjäger, drehte sich um und sah … einen alten Besen?

Es war natürlich Frau Ukkultas treuer Hexenbesen. Der Stiel des Kehrinstruments zuckte kurz und schlug Harald den Revolver aus der Hand. Noch während der selbsternannte Hexenjäger erstaunt auf seine Hand blickte, schwebte der Besen nach unten und zielte zwischen Haralds Beine. Schneller als ein Blitz stieß der Hexenbesen nach vorne. Erschrocken ließ Harald seine Hände nach unten zucken, aber es war zu spät: Der Besen hob den Mann, der panisch aufschrie, in die Luft.

„Hilfe! Hiiiilfe! So hilf mir doch jemand!”

Herr von Hellsehn saß verkehrtherum auf Frau Ukkultas Besen und klammerte sich mit beiden Händen fest. Er blickte nach unten und sah, wie die Hexe offenbar eine Sinfonie dirigierte. Ihre Hände wutschten und wedelten fröhlich hin und her und der Besen, dieser vermaledeite Hexenbesen folgte ihren Bewegungen.

„Haaaa!!!!”, rief der Hexenjäger, als der Besen plötzlich in rasendem Tempo steil nach oben flog. „AAAAAAAH!!!!!”, rief er, als der Besen ebenso plötzlich nach unten sackte und der Boden unaufhaltsam auf ihn zukam. Ungefähr einen Meter über dem Boden hielt der Besen an. Die Hexe machte eine ausladende Bewegung und das fliegende Kehrgerät huschte zum Fluss, bis es über dem Wasser war. Langsam wendete der Besen und blieb regungslos stehen.

„Lass das, oh gute Hexe!”, wimmerte der Jäger lautstark aber kläglich. „Ich bin doch nicht schwindelfrei! Hilfeeee! Ich will runter!”

Natascha Sergejewna Ukkulta lächelte vergnügt und legte die Hände vor ihrer Brust zusammen.

„Runter willst Du? Sag das doch gleich!”

Die Hexe dreht ihre Hände. Der Besen macht eine halbe Rolle nach rechts. Der Hexenjäger riss die Augen auf. Frau Ukkulta schüttelte die Hände nach oben und unten und der Besen folgte ihrer Bewegung bis Harald, der sich festklammert wie ein Affenjunges an seiner Mama, sich nicht mehr halten konnte.

„Platsch!”

Einen Augenblick später stand der triefende Hexenjäger am Ufer und lief vor Wut und Angst und Verwirrung und gerechtem Zorn und noch mehr Angst und noch mehr Verwirrung schäumend auf die Hexe zu.

„Warte nur, Du bösartiges Weib!”, rief Harald von Hellsehn. „Du wirst für Deine Missetaten bezahlen!”

Die Hexe schnippte mit dem Finger und der Besen krachte mit seinen Borsten auf des Hexenjägers Kopf. Einmal, zweimal, dreimal … Harald von Hellsehn drehte sich um und nahm die Beine in die Hand.

Er kam 10 Schritte weit, als sein Handy klingelte. Frau Ukkulta hob die Hand und der Besen blieb still in der Luft stehen. Harald erstarrte. Ein drohender Besen, ein klingelndes Telefon, eine Hexe, die ihn drohend ansah – der arme Mann war vollkommen überfordert.

„Wollen Sie nicht rangehen?”, fragte Frau Ukkulta. „Es könnte Ihre Babutschka sein.”

Harald nahm das Mobiltelefon in die Hand und tippte auf die grüne Schaltfläche, um den Anruf entgegenzunehmen.

„Hallo?”

„Hallo Harald!”, drang die Stimme einer älteren Frau aus dem Hörer. „Ich bin’s, Oma. Mein lieber Harald, Du bist doch in Moskau. Bitte sei doch so lieb und geh zu Frau Natascha Sergejewna Ukkulta und holte mir dort eine Salbe gegen die Fältchen, ja? Danke Schatz!”

Herr von Hellsehn sah abwechselnd auf sein Handy, auf die Hexe und auf den Besen. Dann ließ er schreiend das Handy fallen und rannte blindlings davon. Eine Birke konnte ihm gerade noch ausweichen. Der Brückenpfeiler, der hinter dem Baum stand, war nicht so beweglich.

„Schade!”, lächelte Frau Ukkulta. „War ein lustiges Kerlchen.”


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